Nachtwandeln im Laubengang

31. Mai 2008, 12:00-18:00 hrs
14. Juni 2008, 12:00-18:00 hrs
Anna-Catharina Gebbers | Bibliothekswohnung, Ziegelstr. 2, 10117 Berlin











































































































































































































































































































VOLKER HUELLER 
Nachtwandeln im Laubengang


31 May 2008, 12:00-18:00 hrs
14 June 2008, 12:00-18:00 hrs
+ 1–21 June 2008 nach Vereinbarung / by appointment: mail@acgebbers.com
 
Anna-Catharina Gebbers | Bibliothekswohnung
Ziegelstr. 2, 6. Stock, Wohnung 03
10117 Berlin-Mitte
 


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Volker Hueller zeigt in der Bibliothekswohnung neue Radierungen, Collagen und Objekte. Alle Arbeiten von Hueller entstehen aus einem malerischen Ansatz heraus: Die Radierungen sind handkoloriert und damit ist jedes Blatt, obwohl seriell entstanden, ein Unikat. Die großen Collagen bestehen aus auf eine Leinwand applizierten, verschieden-farbigen Materialien, die anschließend übermalt werden. Und auch die Objekte sind Erweiterungen des Malerischen in die Dreidimensionalität: Diese Objekte können einfache Masken oder etwa das anthropomorph wirkende Skulpturenzwillingspaar Muse und Humbert, Fundstücke wie ausgestopfte Vögel und bemalte Vasen, Wandcollagen aus Folie, bemalte Fußböden oder sorgfältig arrangierte Möbelstücke sein. Huellers Arbeiten bewegen sich dabei stets auf dem schmalen Grad zwischen Figuration, Abstraktion und Ornament. Häufig bindet der Künstler den Ausstellungsraum durch installative Anordnungen seiner Arbeiten in eine Gesamtkomposition ein. 

In der Bibliothekswohnung sind die beiden großen Leinwandarbeiten Sie sind unter uns VI (2008) und Stechschritt im Garten (2008), sowie die grosse, hauptsächlich aus Papier bestehende und mit Ölfarbe überarbeitete Collage das Schweigen (2008) zu sehen. Die abstrakten Kompositionen lassen figurative Formen wie Gesichter, Beine oder Körper erahnen, ohne explizit Figuren zu zeigen. Kontraste aus abgetöntem Weiß, hellen, fast milchigen Farben und dunklen Braun-, Lila-, Rottönen oder Schwarz rhyth-misieren die Tableaux. Zusammengesetzt sind sie aus auf die Leinwand applizierten Stoff-, Gewebe- und Papierschnitten, die zum Teil reptilienhautartige Maserungen auf-weisen und mit Ölfarbe übermalt wurden. Die Collagearbeiten lassen sich als stark ab-strahierte oder fast codifizierte Porträts, aber auch als ein Aufgehen der Figur im Ornamentalen lesen. 
Die gezeigten Radierungen spannen das Spektrum zwischen abstrakt und figurativ noch weiter auf: Sie zeigen entweder komplett geometrische Formationen oder weisen Figurengruppen und deutlich narrative Inhalte auf. Nachträglich aufgetragene Aquarell-farben und Schellack nehmen die Farben der Leinwände auf und erweitern das Spektrum durch kräftigere Töne. 
Die malerische Erweiterung in den Raum geschieht durch sparsam über die Räume ver-teilte Fundstücke, sowie ein Objekt aus bemaltem Gips. Wie die Masken in anderen Ausstellungsanordnungen lässt diese Figur an Rollenspiele, ein Alter Ego, aber auch das Verschmelzen des Künstlers mit der eigenen Arbeit denken. 
Dennoch entspinnt sich keine Erzählung. Und obwohl häufig durch literarische und phi-losophische Texte oder persönliche Erfahrungen inspiriert, entstammen Huellers Motive vielmehr einem kollektiven Bildgedächtnis. Materialcollagen, Radierungen und Objekte bringen Figürliches und Abstraktes auf einen visuellen Nenner und wagen den Balance-akt auf dem schmalen Grad zum Dekorativen: Figuren ebenso wie Bäume werden dem Format angepasst und dem Abstrakten/Formellen gleichgestellt.

Hueller spielt mit der prinzipiellen Affinität von Ornament und abstrakter Malerei, die auch zu einem regelmäßigen Auftauchen des Ornaments in der Kunst des 20. Jahr-hunderts führte. Deutlich wird der  zukunftsweisende Aspekt der geometrischen Abstraktion aus dem Geist des Ornaments beispielsweise in den Gemälden von Klimt oder Klee. Dem Einsatz der Figur als dekorativem Element galt vor allem Matisses nachdrückliches Bemühen, die menschliche Figur als Element in ein Gesamtbild zu integrieren.

Im Rahmen der immer ortsbezogenen Ausstellungen in der Bibliothekswohnung ist neben dem Spiel mit dem Dekor und der Innenausstattung der Räume insbesondere der Aspekt der Figur als ornamentalem Element interessant. Der Blick aus dem Fenster der Wohnung fällt auf den Friedrichstadtpalast, der bis heute Europas größte Revue-bühne ist und in dem große Tanzensembles mit dem Bühnenbild, den Requisiten und den Hintergründen zu einem Gesamtbild verschmelzen. Hueller versperrt diesen Blick mit einer großen Leinwandarbeit (Sie sind unter uns VI, 2008), die wie ein Vorhang das Fenster und damit die Sicht auf die Übungsräume im obersten Stockwerk, die Personal-kantine und das Spektakel der in den Friedrichstadt hinein- und herausströmenden Besucher nimmt oder verheißungsvoll verdeckt. Die Arbeit selbst inszeniert abstrahiert ein Porträt. Ein Vasen-Objekt, in dem langsam verfallende Blumen stehen, sowie ein Ensemble kolorierter Radierungen verbinden sich zu einer Raumkomposition mit dem Raum des einstigen Luxusplattenbaus, in dem früher die TänzerInnen der Revuen lebten. 
Im hinteren Raum, dessen Ausblick auf die streng geometrische Formation der Hinter-hoffenster hinausgeht, hat Hueller die größte Arbeit Stechschritt im Garten (2008) installiert. Ihr gegenüber lädt ein Gartenstuhl zur kontemplativen Betrachtung ein. Flankiert wird er vom Pfeife rauchenden Objekt Humbert (2007), das eine Gemütlichkeit verströmt, der man sich kaum entziehen kann. Zentral über diesem Ensemble hängt in eine Wandinstallation integriert die kolorierte Radierung Schlechte Saat (2008): Sie zeigt wiederum eine zentrale große Figur, die zwei kleinere Figuren dominiert und damit formale wie inhaltliche Korrespondenzen eröffnet. 
Im Flur nimmt die vollkommen schwarze Arbeit Das Schweigen (2008) den Dialog mit dem in der Wohnung vor einer schwarzen Wand fest installierten, schwarzen Klavier auf. Die Arbeit ist Huellers erstes Mittelformat und schafft dennoch ein Gegengewicht. Im Halbschatten hängend zeichnen sich in dem Spiel glänzend und matt gemalter Schatten schemenhaft Gesichter ab, die entweder zärtlich zu wispern oder mit spitzer Zunge zu zischen scheinen. 
Im Bad findet sich der Betrachter auf engstem und intimsten Raum mit einem Porträt konfrontiert, während Hueller dem Eingangsraum mit einer Radierung und einem davor stehenden Stuhl die anonyme Kühle eines Wartezimmers verleiht.

Nachtwandeln im Laubengang ist Volker Huellers erste umfassendere Einzelausstellung.

Volker Hueller (*1976) hat an der Hochschule für bildende Künst in Hamburg bei Professor Norbert Schwontkowski studiert. Seine Arbeiten wurden unter anderem gezeigt in der Nomadenoase/Golden Pudel Club Hamburg, im Kunsthaus Hamburg, im Kunstpavillon Innsbruck und in der Timothy Taylor Gallery, London. Hueller lebt und arbeitet in Berlin.
 
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Volker Hueller presents new etchings, collages and objects at the Bibliothekswohnung. The artist’s works emerge from the painterly: each etching is individually coloured – although they are serial reproductions – making each a unique work. The big collages consist of different coloured materials are applied to canvas then painted. And Hueller’s objects push painting into the third dimension: the objects can be masks, found objects (such as taxidermied birds), coloured vases, collages made of thin foil applied directly onto the wall and painted floors, carefully arranged furniture or the seemingly anthropomorphic sculpture pair “Muse” and “Humbert.” Hueller’s works sit on the borders that delineate figuration, abstraction and ornament. Moreover, often the artist integrates the space of the rooms into the overall composition.

The big canvas “Sie sind unter uns VI” (2008) and “Stechschritt im Garten” (2008), as well as the oil colour painted over paper collage “das Schweigen” (2008) are currently exhibited in the Bibliothekswohnung. The abstract compositions allude to elements of figuration: faces, legs or bodies, yet without suggesting the figure overall. Contrasts of tinted white and light, milky colours and black, dark brown, violet and red tones activate the tableaux, comprised of woven textile, fabric and paper cut-outs. Some of these have reptile-skin patterned surfaces. They are painted over with oil colours. The textile collages can be read as extremely reduced or encoded portraits, or as figures that dissolve into the ornamental. 
The etchings stretch along the spectrum of abstraction-figuration even further: they show either completely geometrical formations or groups of figures bound in narrative content. Water colour and shellac, applied later, assume the canvases’ colour range and expand the spectrum into bolder hues. 
Painterly expansion into the physical exhibition space occurs subtly through both well-placed found objects and a figure made of painted gypsum. Like the masks in recent exhibition displays by Hueller the figure alludes to role-playing, an alter ego or the melding of the artist into his own work. 
Yet all this is done without a hint of narration. Although often inspired by literary or philosophical texts or by personal experiences, Hueller‘s motifs are rooted mostly in collective visual memory. Material collages, etchings and objects bring figuration and abstraction to a common visual denominator, tempting to plunge into the realm of the decorative: figures and other representational elements are brought into the format, equalizing the balance with abstraction. 

Hueller plays with the fundamental affinity of the ornamental and the abstract, an aesthetic choice that led to the intermittent surfacing of ornament in art of the 20th century generally.  The future-oriented aspect of the geometrical abstraction deriving from the  spirit of the ornamental was made apparent in the work of Gustav Klimt or Paul Klee for example. And Henri Matisse was moved to integrate the human figure as an element of composition.

The exhibitions at the Bibliothekswohnung are always site related. Hueller matches this challenge not only because of his play with space decor and interior design, but also because of his approach to the figure as ornamental element. A glance through the window shows Friedrichstadtpalast, Europe’s largest Revue theatre, a place where the dance ensemble/chorus line melts visually with the stage setting, the backdrop and the props, forming an overall gestalt. Hueller blocks the window looking out onto the Revue theatre with a giant canvas (“Sie sind unter uns VI”, 2008). In so doing, the canvas serves as a kind of curtain, hiding the view but also creating anticipation of its revelation. What the canvas/curtain hides in reality is the rehearsal rooms on the top floor of the Friedrichstadtpalast, the staff cafeteria and the spectacle of ongoing patrons. The work itself stages an abstract portrait. A vase-object holding decaying flowers and a selection of hand-coloured etchings synthesizes the Bibliothekswohnung, located in a former East German grey high-rise (“Plattenbau”) and once living space of the revue’s dancers, into an overall composition. 
In the back room of the exhibit, the outlook shows the geometrical setting of backyard windows. It is here that Hueller installed the largest work “Stechschritt im Garten” (2008). A garden chair placed across from the painting invites a moment of contemplation. And next to the chair, Hueller’s sculpture with pipe, “Humbert” (2007), creates an irresistibly comfortable atmosphere. Centrally above this ensemble and integrated into a wall installation hangs the hand coloured etching “Schlechte Saat” (Bad Seed) (2008): In turn this work is showing centrally a large figure, who is dominating two smaller figures, hence opening correspondencies formally and content wise.
In the hallway of the Bibliothekswohnung sits a black piano in front of a black wall. Hueller’s all-black painting “das Schweigen” (“the Silence”, 2008), his first medium-format piece, manages to establish a balance – and establish a dialogue – with the black piano. Within the black painting hanging in the penumbra and comprised of painted glossy or matt shadows, one can still discern vague human faces that seem to whisper tenderly to one another -- or to speak evil with pointed tongues. 
In the tiny bathroom – the most intimate space in the Bibliothekswohnung – the visitor is confronted with a single portrait. This direct and intimate confrontation stands in contrast to the front foyer exhibit, which sees a lone chair and single etching confront the visitor with the anonym coldness of a waiting room. 

„Nachtwandeln im Laubengang” (Sleepwalking under the Trellace) is Hueller’s first extensive solo exhibition.

Volker Hueller (*1976) studied at the at the Academy of Fine Arts Hamburg (under Professor Norbert Schwontkowski). Hueller’s works were on view at Nomadenoase/Golden Pudel Club Hamburg, Kunsthaus Hamburg, Kunstpavillon Innsbruck and at Timothy Taylor Gallery, London. He lives and works in Berlin.




VOLKER HUELLER - CV 

1976	
geboren / born in Forchheim; lebt und arbeitet / lives and works in Berlin

2003	
Visuelle Kommunikation, Diplom, GSO, Nürnberg

2003–08 
Freie Kunst an der Hochschule für bildende Künste Hamburg, Diplom bei Prof. Norbert Schwontkowski


Grants
 
2004–05	
Malereistipendium der Bargheer-Stiftung

2006 	
Studienaufenthalt in Mexiko Stadt, gefördert durch die Ditze-Stiftung


Solo Exhibitions 

2008	
- “Nachtwandeln im Laubengang”, Anna-Catharina Gebbers | Bibliothekswohnung, Berlin

2005
- “VOLVOX” Nomadenoase, Golden Pudel Club, Hamburg


Group Exhibitions (selected) 

2008	
- “Wert-Schätzung”, kuratiert von Anna-Catharina Gebbers, Sammlung Sander, Berlin
- “Lumen Christi”, Studierende der Klassen Prof. Pia Stadtbäumer, Prof. Werner Büttner und Prof. Norbert Schwontkowski, St. Katharinen Kirche, Hamburg

2007	
- “A und O”, kuratiert von Abel Auer, Galerie Jürgen Becker, Hamburg
- “The Mouse, The Bird, and The Sausage” (mit Lotte Gertz), Timothy Taylor Gallery, London
- “You will be Re-Materialized through your Secrets” (mit Charlie Hammond, Volker Hueller, Gedi Sibony, Valeska Soares, Katja Strunz), kuratiert von Michael Clifton,;Michael Benevento/Orange Group, Los Angeles, USA 
- “Immer noch im Sommerloch” (mit Michael Conrads), Galerie Krüger, Hamburg 
- “Frozen Cirrostratus”, kuratiert von Kerstin Niemann, Galerie Sækkers, Eindhoven, Niederlande
- Klasse Norbert Schwontkowski, Westwerk, Hamburg
- “bookish relations”, Anna-Catharina Gebbers | Bibliothekswohnung, Berlin
- “Inky Toy Affinitas”, kuratiert von Anna-Catharina Gebbers, Cerealart, Philadelphia, USA

2006 	
- “Wo warst Du! All Ambra”, initiiert von Abel Auer, Dorota Jurczak und Armin Krämer, Kunstpavillon Innsbruck, Österreich 
- “top to bottom end to end”, Westbahnhof, Wien, Österreich
- “HOME SWEET HOME” (mit Malte Urbschat und Michael Conrads), Wallstreet One Gallery, Berlin

2005
- “Palsteg”, Westwerk, Hamburg
- “index05”, Kunsthaus Hamburg











mailto:mail@acgebbers.comshapeimage_2_link_0

Volker Hueller

Schweigen, 2008

Paper and Canvas on Paper

115 x 84 cm

Volker Hueller

Nachtwandeln im Laubengang, Bibliothekswohnung, 2008

Installation view

Volker Hueller

Gomorrha II, 2007

Etching, Water Colour, Schellack

39 x 34,5 cm

(from a triptych)

Volker Hueller

Nachtwandeln im Laubengang, Bibliothekswohnung, 2008

Installation view

Volker Hueller
Stechschritt im Garten, 2008
Oil, mixed media on canvas
204 x 318 cm

Volker Hueller

Nachtwandeln im Laubengang,

Bibliothekswohnung, 2008

(Etching „Schlechte Saat“ + Object „Humbert“)

Volker Hueller

Schlechte Saat, 2008

Etching, water Colour, shellac

29 x 24,5 cm

Volker Hueller
Sie sind unter uns, 2008
Oil, mixed media on canvas
250 x 200 cm
Volker Hueller
Nachtwandeln im Laubengang, Bibliothekswohnung, 2008
Installation view

Volker Hueller

Derbe Gnade, 2008

Etching, water Colour, shellac

38,5 x 29 cm

Volker Hueller

Untitled, 2008

Etching, water Colour, shellac

29 x 24,5 cm

Volker Hueller

morgens, 2008

Etching, water Colour, shellac

29 x 24,5 cm

Volker Hueller

Purple Haze, 2008

Etching, water Colour, shellac

29 x 24,5 cm

Volker Hueller

Lenz on the Hills, 2008

Etching, water Colour, shellac

29 x 24,5 cm

Volker Hueller

Installation views:

Nachtwandeln im Laubengang,

Bibliothekswohnung, 2008

(„Schweigen“ + found object)

Volker Hueller

Installation view: Nachtwandeln im Laubengang, Bibliothekswohnung, 2008

(etching in front: Black in Black, 2008

Etching, water Colour, 38 x 29 cm)

Volker Hueller

Installation view: Nachtwandeln im Laubengang, Bibliothekswohnung, 2008

(Painting: untitled, 2008, Oil on canvas, 50 x 40 cm)