SASCHA HAHN

Essay (working title)


1. Mai 2010, 14:00–18:00


(please scroll down for the english abstract)


Sascha Hahn zeigt in der Bibliothekswohnung sein neues Videoessay "Essay (working title)" (2007–2010). Der Künstler zog vor drei Jahren nach Berlin, um die Mythen um David Bowies Berlin-Aufenthalt in den 1970er Jahren und seine Freundschaft zu Iggy Pop zu untersuchen. Über drei Jahre entstand eine essayistische Erzählung, in der gefundenes Filmmaterial mit eigenen Aufnahmen zu einer hypnotisierenden Folge von Bildern verarbeitet worden ist. Die offene Struktur ist nicht nur ein formales Mittel: Sie lässt auch die Projektionen und Hoffnungen ahnen, die am Anfang des Filmprojekts standen und zeigt das Scheitern daran, den Mythos zu greifen. Eine Verschmelzung mit der Projektion des Popmythos konnte nicht gelingen. Diese beiden Bewegungen sind im Film miteinander verwoben: Ähnlich wie in den Kompositionen von Johann Sebastian Bach schwingt thematisch das Ende am Anfang bereits mit.


Hahns audiovisuelle Arbeiten sind stets eine Zusammenführung von gleichwertigen optischen und akustischen Bildzeichen. Den Soundtrack für "Essay (working title)" entwickelte er gemeinsam mit Christian Jendreiko und Phillip Schulze unter Verwendung einer Pedal Steel Gitarre, eines samplebasierten Echtzeit-Klanggenerators und eines Arp-Synthesizers, dessen Sound  die frühe elektronische Musik und die Popmusik der 1970er von Electro- und New-Wave charakterisierte. Hahn erzeugt mit Bildern und Tönen den Eindruck von einer Art „Traumschlaf“ (Walter Benjamin), bei dem der bewusste Prozess der Wissensaneignung ein unerreichbares Ideal bleibt und alle kulturellen Werte nur geträumt sind. Dieser Wachtraum findet seine formale Umsetzung im minimalistischen Soundtrack, im Verzicht auf Farbe und darin, gesprochene oder schriftliche Kommentare auf ein Minimum zu reduzieren. So wirken in Hahns Werk Optik und Akustik auf einander ein und bilden über die vertikale Montage eine innere Einheit. 


Für die Ausstellung fügt Hahn die Stationen dieser Forschungen zusammen und zeigt neben "Essay (working title)" (2007–2010) eine Reihe von bildnerischen Arbeiten sowie drei kürzere Videoarbeiten.  Diese markieren Zwischenschritte in formaler und inhaltlicher Hinsicht: "Obviously" (2008) untersucht das Essay als Form und die Verwendung von  durch andere bereits interpretierte Bilder in Verbindung mit selbstproduziertem Bildmaterial. Kompositionen von Stockhausen sind ebenso zu hören wie Sonic Youth oder Joan as Police Woman. Hahn untersucht hier den Einsatz von starken farblichen, rhythmischen und akustischen Kontrasten. Bereits hier öffnet das Geheimnisvolle der Bilder Raum für das Mythische. "Life after Death in Venice" (2008) verhandelt formal den Reiseberichts aufgrund einer Dokumentation. Die Bilder umgehen weitestgehend die Klischees, die mit der Stadt Venedig assoziiert sind. Dennoch stellt sich ein Gefühl der Künstlichkeit ein, das sich mit einer Morbidität verbindet, die an Thomas Manns Novelle und Luchino Viscontis Film denken lässt.  Während für "Obviously" das Material den Ausgangspunkt bildete, "Life after Death in Venice" aufgrund einer Dokumentation entstand, ist "Like a Rolling Stone" die eines Gedichtes. Hier wird der Werdegang des wichtigsten Songs der Rockgeschichte und seines Autors Bob Dylan untersucht: Das Musikvideo ist ein Zusammenschnitt von gefundenen Bildern verschiedener Interpretationen des Songs, die das langsame Altern des Musikers und die  Höhen und Tiefen einer Künstlerpersönlichkeit zeigen.


In seiner Beschäftigung mit dem Mythischen popkultureller Phänomene stellt Hahn grundsätzliche Fragen wie die nach der prinzipiellen Möglichkeit oder Unmöglichkeit von Neuerfindungen, nach dem Scheitern ebenso wie der Sehnsucht als Motivation und dem Wachtraum als Zustand der Gegenwart.


Sascha Hahn wurde 1979 in Neuss geboren. Er studierte an der Kunstakademie Düsseldorf bei Helmut Federle und Jörg Immendorf. Heute lebt er in Berlin. Seine Arbeiten waren unter anderem zu sehen in der Galerie Jacky Strenz, Frankfurt, im Kunstverein Malkasten, Düsseldorf, in der Galerie Neue Alte Brücke, Frankfurt, bei Art in General, New York, im Museum Witte de With, Rotterdam, bei Vilma Gold, London, in der Gagosian Gallery (4. berlin biennale), Berlin und im Museum Abteiberg, Mönchengladbach.


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(English abstract)


Sascha Hahn presents at Bibliothekswohnung his new video essay “Essay (working title)” (2007-2010), a series of paintings and three shorter video works.


The artist moved to Berlin three years ago in order to investigate the myths around David Bowie's stay in Berlin in the 1970s and his friendship with Iggy Pop. Over three years Hahn produced a narrative essay which combines found footage with filmic material shot by him. The result is a mesmerising series of images. The open structure is not only a formal play: It also alludes the projections and hopes from where the film project started and shows the failure of accessing the myth. There is no way to merge with the pop myth. These two movements are intertwined in the film: as in the compositions by Johann Sebastian Bach the end is thematically already resonating in the outset of the composition.


Hahn creates with images and sounds the impression of a sort of "Traumschlaf" ("dream sleep", Walter Benjamin), in which the conscious process of acquiring knowledge is an unattainable ideal, and all cultural values are only dreamed. This waking dream finds its formal implementation in the minimalist soundtrack, in the absence of colour and in the reducing of spoken or written comments to a minimum. Thereby optics and acoustics influence one another in Hahn's work and form the productive combination of the film picture and the sound by vertical montage.


Sascha Hahn was born in 1979 in Neuss. He studied at the Art Academy in Düsseldorf under Helmut Federle, and Jörg Immendorf. He now lives in Berlin. His works were shown among others in the gallery Jacky Strenz, Frankfurt, Kunstverein Malkasten, Düsseldorf, Galerie Neue Alte Brücke, Frankfurt, at Art in General, New York, the Museum Witte de With, Rotterdam, at Vilma Gold, London, at the Gagosian Gallery (4th berlin biennale), Berlin, and Museum Abteiberg, Moenchengladbach. “Essay (working title)” is Hahn's first solo exhibition in Berlin.





SASCHA HAHN - CV


born 1979 in Neuss, Germany

Studied at Kunstakademie Düsseldorf 1998–2004

Lives and works in Berlin



Exhibitions


2009 Groupshow "Rettet die alten Kirschen Am Knappenberg" Jacky Strenz, Frankfurt

2009 with Marieta Chirulescu, Kienzle & Gmeiner, Berlin

2009 Groupshow "Parcours Interdit", Jakobipark-Malkasten, Düsseldorf

2008 Groupshow "Novel", Anna Catharina Gebbers | Bibliothekswohnung, Berlin

2008 "Be my Wife" with Alexander Lieck, Samsa, Berlin

2008 Groupshow "Pollen", Galerie Neue Alte Brücke, Fankfurt

2008 "Medium Cool - Tenth Annual Video Marathon", Art in General, New York

2007 "Visitor", Konsortium, Düsseldorf

2007 Groupshow "Labsetstudio", Düsseldorf

2007 Groupshow "nothing else matters", De Haalen, Harlem

2006 Groupshow "Street: behind the clicheè", Witte de With, Rotterdam

2006 Groupshow "Our Marvellous Ambition", Vilma Gold, London

2006 Groupshow "Hotel Kristall", Aurel Scheibler Galerie, Köln

2006 Groupshow "friends and enemies", Gagosian Gallery (4th berlin biennale), Berlin

2005 Groupshow "Autopilot", Düsseldorf

2005 Groupshow "Menschensgladbach", Museum Abteiberg, Mönchengladbach

2005 Film-Vortrag "Bach/Gould/Hahn", WG Düsseldorf

2005 Groupshow, Glue, Berlin

2004 "Low", Galerie Bochynek, Düsseldorf

2003 Ausstellungsraum Mintrop, Düsseldorf

2002 Ausstellungsraum Binterim, Düsseldorf

2000 Groupshow "real", Düsseldorf

Sascha Hahn

Videostill from “Essay (working title)“, 2007–2010

Essay (working title)


1. Mai 2010, 14:00 - 18:00

Anna-Catharina Gebbers | Bibliothekswohnung, Ziegelstr. 2, 10117 Berlin